11HH2 aus dem SOR-SMC-Club ist Pate eines Gedenksteines für ein Wiesbadener KZ-Opfer
Sind Sie schon einmal über den Kaiser-Friedrich-Ring gegangen? Wer erfreut sich nicht an dieser herrlichen Platanenallee? Wer lässt nicht seinen Blick an den wunderbaren im Stil des Historismus errichteten Häuserfassaden nach oben schweifen zu kunstvollen Erkern und Dächern oder zu Verzierungen mit Säulen im ionischen Stil, wie sie beispielsweise an dem Gebäude mit der Nummer 23 zu finden sind? Der Blick im Vorbeigehen auf die Häuserfronten, nach oben, ist einfach ein Genuss. Ganz unbeschwert. Schönes Wiesbaden.
Und plötzlich bleibt der Fuß an irgendetwas hängen – man stolpert, erschrickt und der Blick geht reflektorisch nach unten.
Wenn Ihnen das vor der Hausnummer 23 passieren würde, dann sähen Sie einen Pflasterstein mit der Inschrift „Hier wohnte Klara Schirmer, geb. Hirschberg, Jg. 1881, verhaftet 27.3.1943, Ravensbrück, deportiert 1944, Auschwitz, ermordet 31.4.1944“.
Ob die Wiesbadenerin Klara Schirmer auch erschrocken nach unten geschaut hat, als am 27.3.1943 die Nazi-Schergen an der Haustür der damals 61 jährigen im Kaiser-Friedrich-Ring 23 klingelten, um sie in das KZ Ravensbrück zu deportieren, wissen wir nicht. Wir wissen jedoch, dass die Mutter dreier Kinder eins der rund 1500 jüdischen Wiesbadener Opfer war, die zwischen 1938 und 1945 in KZ’s deportiert, unmenschlich drangsaliert und gnadenlos ermordet wurde. Einfach so – wegen ihrer Herkunft, Rasse, Glaubenszugehörigkeit, der perversen Ideologie der Nazis im 3. Reich folgend.
Für diesen Stolperstein hat am 19.04.2016 die 11HH2 von der Gruppe „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ die Patenschaft übernommen: Nach der Begrüßung der Anwesenden durch Inge Naumann-Götting vom Aktiven Museum Spiegelgasse wurde der Stein versetzt und Naumann-Götting berichtete sodann über das Schicksal der Klara Schirmer: Sie wurde am 3.3.1943 von der Gestapo festgenommen und nach der Haft in Wiesbaden und Frankfurt im Oktober in das Frauen-KZ nach Ravensbrück verschleppt. Ihre Lager-Nr. war 21946. Das letze Lebenszeichen von ihr stammt von einem Brief, den ihr Sohn am 3.08.1944, also nach ihrem Tod am 31.01.1944, von ihr erhielt. Nach der Niederlegung einer Rose hielt Simone Breitsch, Mitglied der Schulleitung, eine kurze Rede und unterstrich: „Wir sind stolz darauf, dass wir ein Zeichen gegen Fremdenfeindlichkeit setzen dürfen.“
Die Schüler der 11HH2, Shervin Randjbar Some und Johnny Posdzich betonten in ihrer Ansprache, dass „die aktuelle Situation der Flüchtlinge uns sehr an die damalige Zeit erinnert; deshalb setzen wir uns für geflüchtete Menschen ein.“
Die Gedenkzeremonie schloss mit der Niederlegung von Rosen durch die Schülerinnen und Schüler.
Wahrscheinlich kannte niemand von uns, unseren Eltern oder Großeltern Klara Schirmer oder ihre Familie. Aber wir kennen die Gräueltaten und Morde an sechs Millionen Juden und seit heute einen kurzen Abriss von Klara Schirmers Einzelschicksal. Mehr nicht. Der Stein aber soll helfen, an das Opfer Klara Schirmer zu erinnern und – er soll uns stolpern lassen immer dann, wenn die Taten und Morde der Nazis verharmlost oder gar klammheimlich goutiert werden und er soll unseren Reflex trainieren, immer und sofort und ohne Kompromisse dem Rechtsextremismus und jeglicher Rassendiskriminierung entschlossen entgegenzutreten.
Die Klasse 11HH2 hat, stellvertretend für alle Schülerinnen und Schüler sowie Angehörige der SDS, mit der Übernahme der Patenschaft ein nachhaltiges Symbol des Andenkens und des Anstandes gesetzt. Hierfür sei ihr und unserem Kollegen Ewald Bauer, der federführend für die Organisation der Patenschaft verantwortlich war, herzlich gedankt.
(Petra Hilbert)
Auch der Wiesbadener Kurier berichtete hierüber …